Kroatien ist ein Teufel

Morgens in Dalmatien.

Mit Kroatien stand nun schon das achte Reiseland auf der Route. Ein wunderschönes Land, welches mich sehr herausforderte aber auch sehr für die Anstrengungen belohnte.

Willkommen in Kroatien!

Doch vorab eine kleine lustige Geschichte von der Grenzüberquerung. Dem Navi folgend sollte ich am Slowenischen Grenzübergang Gruškovje nach Kroatien ausreisen. Kroatien ist zwar Mitglied der Europäischen Union, jedoch nicht im Schengener Abkommen. Hier hätte also erstmals ein Ausweisdokument vorgezeigt werden müssen. Am Grenzübergang angekommen musste ich jedoch feststellen, dass es lediglich über die Autobahn möglich war nach Kroatien einzureisen. Ich inspizierte das Areal eine ganze Weile, probierte alle Straßen und Wege aus. Doch alles war dicht gemacht. Die ehemalige Landstraße war mit Barrikaden und einem mit Stacheldraht gekrönten Zaun versperrt, welcher sich durch das ganze Grenzgebiet zog. Es war mir zwar ohne weiteres möglich mit dem Rad in die LKW-Abfertigung rein zu radeln, die Beamten waren dort aber mit den LKWs beschäftigt. Auch war es die falsche Richtung, die nach Slowenien gehende Spur und von da aus wäre ich dann als Falschfahrer auf der Autobahn in Kroatien raus gekommen. Auch keine gute Idee. Aber direkt hinter der LKW-Abfertigung gab es eine Lücke im Grenzzaun. Diese Lücke war nur durch einen Schlagbaum versperrt. Der war allerdings verschlossen und drum herum laufen war nicht drin. Kameras und Menschen standen da aber auch nicht. Ein kurzer Kontrollblick ob auch wirklich niemand schaut, dann zerrte ich das beladene Tier unter dem Schlagbaum durch und war damit illegal nach Kroatien eingereist. Nochmal schnell geguckt ob ich auch wirklich nicht beobachtet wurde, flink ein Foto geknipst und dann nichts wie weg. Ein paar hundert Meter weiter fand ich dann im Gestrüpp eingewachsen noch das Schild mit dem Aufdruck Republik Kroatien an der ehemaligen Landstraße.

In den Bergen Nordkroatiens.

Etwas herausfordernder wurde es dann nach den ersten Kilometern. In Đurmanec verließ ich die breiteren Straßen und schlug ein paar weniger befahrene Straßen in Richtung Karlovac ein. Weniger befahren hieß aber auch mehr Steigung – viel mehr Steigung, teilweise bis zu 19%. Auch wenn die Berge eher hügelig aussahen, so galt es doch einige Hundert Höhenmeter auf recht kurzen Rampen zu überwinden. Fluchend ging es nur sehr langsam, abschnittsweise auch nur schiebend voran. Aber für jede Mühe gibt es immer auch eine Belohnung, die erste lauerte schon im ersten Bergdorf als ich von einem alten Kroaten auf ein Bier eingeladen wurde. Die zweite kam ein paar Hundert Meter weiter mit der Abfahrt ins nächste Tal. Dabei ging es durch dicht besiedeltes Bergland, welches mit lauter Wein-Lagen durchzogen war. Die nicht erschlossenen Abschnitte der Berge waren mit dichtem Laubwald bewachsen, es strotzte vor grün. Im Tal angekommen ging es an Ackerflächen und Weiden entlang, die Städte und Dörfer in Nordost-Kroatien waren nicht nur landwirtschaftlich geprägt. Das Spiel mit den steilen Rampen sollte sich an Tag zwei in Kroatien wiederholen, ich begann mich zu fragen ob das schon die mir als fies angedrohten Berge des Balkans waren.

Gierseilfähre in der Nähe von Samobor.

Von Karlovac aus sollte es ziemlich direkt gen Süden gehen, nächstes Ziel: Split. Bis dahin waren es etwas über 300 Kilometer und zahlreiche Höhenmeter, ein Projekt für mehrere Tage. Tage die es in sich hatten. Tag eins nach Karlovac war viel zu lang. Es wurde bereits dunkel, die Wasserflaschen waren noch nicht aufgefüllt und ein guter Campspot wolle auch nicht auftauchen. Dass ich mich dem Nationalpark Plitvicer Seen dabei immer mehr näherte machte es auch nicht besser. Am Ende bekam ich aber Wasser in einem Dorf und baute das Zelt versteckt hinter ein paar Bäumen etwas oberhalb der Straße auf. Der nächste morgen war kalt, Zelt und Schlafsack waren gut klamm. Sonnenschein Fehlanzeige. Meine Laune begab sich in den negativen Bereich, die Tage zuvor hatten schon entsprechend vorgebohrt.

Im Nationalpark Plitvicer Seen.

Nach zehn Minuten auf der Straße war das Nationalparkzentrum erreicht. Irgendwie gab es hier ganz schön viel Trubel. Den Infotafeln konnte ich entnehmen, dass da hinter den Bäumen versteckt ein paar Seen mit Wasserfällen sein müssen und dem Andrang nach zu urteilen wohl auch entsprechend hübsch. Davor galt es allerdings noch deftig Eintritt zu bezahlen. Die Wasserfälle waren letztendlich wirklich ziemlich schön. Es gab auch beträchtlich viele davon, da die Plitvicer Seen kaskadenartig in mehreren Höhen hintereinander liegen und das Wasser so über zahlreiche Stufen dem Ruf der Schwerkraft folgt. Fotos ohne andere Touris zu knipsen war allerdings schon eine Herausforderung, auch an Mindestabstand war hier nicht zu denken.

Die Seen liegen in einer von Felsen begrenzten Schlucht.

Der Tag endete wie der vorherige, in der Dämmerung Wasser auftreiben und dann im Dunkeln einen Zeltplatz suchen. Diesmal war es schon so duster, dass ich das Zelt direkt neben der Straße aufbaute. Kein wirklich optimaler Zeltplatz, zumal auch noch recht viel Müll herum lag aber es fehlte einfach die Kraft zum Weiterfahren und die steilen Hänge versprachen keine Aussicht auf etwas Besseres. Es war kalt und während ich noch ein paar Nudeln kochte begann das Zelt schon wieder klamm zu werden. Oh man, jetzt hatte mich das Herbstwetter wohl so richtig erwischt.

Der Nebel hat sich weitestgehend verzogen.

Doch der nächste Morgen änderte die Lage komplett. Nein, das Wetter war nicht besser – ganz im Gegenteil, bis 11:00 Uhr war es so nebelig, dass an ein Weiterfahren nicht zu denken war. Doch irgendwie hatte sich meine Stimmung über Nacht komplett gedreht. Okay, die Tage sind halt jetzt kurz. Okay es ist jetzt kalt. Okay Zelt und Schlafsack müssen halt Mittags nochmal in der Sonne getrocknet werden. Wo ist das Problem? Mit der neuen Energie und Einstellung rollte es gleich viel besser. Und was bekam ich jetzt alles für schöne Landschaften zu sehen – hatte ich das die letzten Tage vielleicht alles etwas ausgeblendet?

Hier scheint es Felsbrocken geregnet zu haben.

Die nächsten Tage bis Split waren landschaftlich wirklich grandios. Ein Bergpanorama jagte das nächste, ich konnte zusehen wie die Landschaft langsam ins Mediterrane verwandelte. Die Vegetation wurde etwas karger mit kleineren gedrungenen Bäumen, die Berge sahen äußerst schroff aus. Zwischen den Bergketten erstreckten sich lange weite Täler mit zahlreichen Weideflächen. Überall gab es Unmengen von Bruchsteinmauern aus weit zurückliegenden Zeiten. Ich konnte mich nicht statt sehen. An einem Abend fuhr ich fernab der breiten Hauptstraße durch eine Art Märchenwald mit vielen kleinen Eichen, unzähligen alten mit Bruchsteinmauern abgetrennten Parzellen, einem äußerst verblockten Weg und wenn man stehen blieb war es absolut still. Die Abendsonne welche durch die Bäume hindurch strahlte versetzte das Ganze in ein traumhaftes Licht. Mit Hilfe des Navis ging ich auf Nummer sicher ja nicht aus diesem Wald rauszufahren, er war einfach viel zu perfekt um hier zu Campen.

Mit dem Tier durch den Märchenwald.

Morgens war es oft knackig kalt, sogar die Zeltwand war gefroren. Doch kaum saß ich wieder auf dem Tier ging es weiter mit den spektakulären Ausblicken. Die Gebirgszüge sahen dann besonders spektakulär aus, wenn sich die letzten Nebelschwaden verzogen und leichte Wolkenschleier die Berge wie Geschenkbänder verzierten. Ständig musste ich anhalten und die Kamera rausholen. Was die Strecke anging, so folgte ich oft der D1 – in Deutschland wäre das Äquivalent wohl die B1 dazu. Doch erstaunlicherweise hielt sich der Verkehr sehr in Grenzen, die Autofahrer hielten vernünftig Abstand beim Überholen und längere Anstiege waren meist zweispurig ausgebaut und mit äußerst humanen Steigungen von maximal 10% – gut mit dem Reiserad machbar. Erst kurz vor Split wurde der Verkehr dichter, bei der zweitgrößten Stadt des Landes ist das aber kein Wunder.

Da findet auch der Reiseradler etwas Platz.

Kroatien ist ein Teufel – hat es mich doch erstmal gewaltig durchgerüttelt, bis ich mich drauf einlassen konnte, um es dann voll zu genießen. Und in Split war ja auch noch lange nicht Schluss mit diesem wunderschönen Land. Da kommt also noch was 😉


Reisezeit: Oktober 2021
Übrigens stammt das Oktoberbild auch aus diesem Reiseabschnitt.

Kommentare

2 Antworten zu „Kroatien ist ein Teufel“

  1. Benutzer Icon
    Stephanie Stolze

    Hallo Binni, tolle Bilder und ja die Steigungen in Kroatien sind manchmal echt fies. Aber zum glück geht es danach immer wieder runter…

    1. Benutzer Icon

      Danke! Ja genau, nach dem schweißtreibenden Anstiegt pustet einen der Abfahrtsind wieder trocken 😀

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