Ein paar Tage in Ungarn

Willkommen in Ungarn!

Die ersten Kilometer in einem neuen Land sind für mich immer besonders spannend. Gerade noch frisch aus einem anderen Land kommend, sind die Unterschiede dann immer besonders deutlich. Und auch wenn die Menschen zweier Staaten im Grenzgebiet sehr nah bei der jeweils anderen Nation leben, so ist es doch erstaunlich wie stark sich einzelne Dinge nur durch so eine Grenzlinie unterscheiden können. Besonders bei Grenzen die eigentlich dank EU und Schengen gar keine großen Hürden mehr darstellen.

In Ungarn gab es so viel Neues zu entdecken wie schon lange nicht mehr. Der Kontrast zur Slowakei aus der ich gerade kam war deutlich zu sehen. Angemerkt sei hier jedoch noch, dass ich von der Slowakei nach Nordostungarn gefahren bin, welches schon ein ganzes Stückchen anders, als der von mir besuchte Teil westlich der Donau war.

Typisches ungarisches Landhaus.

Am auffälligsten war der andere Baustil in den Dörfern. Im Wesentlichen gab es zwei Typen von Häusern: Die ursprünglichen ungarischen Landhäuser welche nur über eine Etage verfügen, schmal und länglich, oft mit einer überdachten Galerie am Eingangsbereich. Manche dieser Galerien hatten schöne Rundbögen, was einen äußerst gemütlichen Eindruck vermittelte. Typ zwei waren die vermutlich aus dem Sozialismus stammenden Häuser, die stark nach Einheits-Baukasten aussahen. Zweistöckig mit Spitzdach, eher ins quadratische gehender Grundriss. Dazu gab es oft schöne Gartenzäune, wobei die Schönheit meist schon ein ganzes Stückchen in die Jahre gekommen war. Denn viele der Grundstücke und Häuser sahen etwas antik aus. Und auch wenn in den Dörfern immer Menschen zu sehen waren, durchaus auch junge, so wirkten die Dörfer in Nordostungarn eher verschlafen. In diesen Dörfern gab es manchmal einen kleinen Coop oder CBA Minisupermarkt, dessen Angebot jedoch recht spärlich war und die Kreativität in der Essensplanung herausforderte. Auffällig waren die kleinen blauen Wasserhähne, welche an zahlreichen Stellen überall in den Dörfern standen. Dort gab es Trinkwasser für jedermann, was schon eine ziemlich coole Sache ist. So blieb mir das Aussprechen der Frage nach Wasser glücklicherweise erspart.

Öffentlicher Wasserhahn, sehr praktisch 🙂

Denn die ungarische Sprache ist irgendwie ein komplett eigenes Ding und hat mit den slawischen Sprachen nichts gemein. Das Auswendiglernen der für die Reise notwendigen Floskeln war gleich ein ganzes Stück schwerer. Was es auf den Ortseingangsschildern zu lesen gab, sah oft eher nach einem Random-String als nach einem aussprechbarem Namen aus. Aber auch ein paar Tage später und mit Unterstützung durch Einheimische war mir das Ungarische nach wie vor sehr suspekt.

Laut meines Navis gab es in der ersten größeren Stadt hinter der Grenze eine Bank mit Geldautomat – perfekt um mich mit ungarischen Forint einzudecken. Aber zugegebener Maßen hätte ich die Bank ohne das Navi nie gefunden, sie versteckte sich in einem typischen Wohnhaus hinter einer Hecke ohne großartige Beschilderung. Der Automat funktionierte glücklicherweise und so hatte ich dann das erste mal auf der Reise einen fünfstelligen Betrag in der Tasche stecken. Das ist zwar noch nicht so krass wie beispielsweise südkoreanische Won aber es war schon mal etwas ungewohnt im Supermarkt, wenn beispielsweise an einer Tafel Schokolade ein dreistelliger Preis steht.

Man kann schon auch mal auf Aspahlt gut durchgerüttelt werden.

Die Straßen waren schmal und wenig befahren, häufig geflickt aber meistens trotzdem noch gut zum Radeln. Emmentaler Asphalt gab es zwar auch, auf meiner Route aber eher selten. Oft sah ich nicht sehr viel Sicherheit vermittelnde Beton-Leitplanken, die wohl schon vor vielen vielen Monden da aufgestellt wurden. Bahnübergänge waren wieder nur an größeren Straßen beschrankt, der Verkehr hielt sich in Grenzen. Den heftigen, sich wenig um Fahrradfahrer kümmernden Verkehr bekam ich ein paar Tage später zu spüren, als ein Stück Hauptverkehrsstraße unvermeidbar war.

Auf einmal gibt es wieder flache Strecken.

Landschaftlich gab es aber auch mal wieder etwas anderes zu sehen. Ging es in der Slowakei ständig hoch und runter, mit einem Bergpanorama nach dem nächsten, so war es in Ungarn schlicht weg flach oder hügelig. Schon direkt hinter dem Grenzschild erwartete mich eine kilometerlange gerade Straße in einer flachen Ebene. Das Gefühl mit konstant 30 Sachen längere Zeit über Asphalt zu sausen war mir schon ganz fremd geworden. Es sollte zwar nicht so flach bleiben, da ich nicht ganz in die Ungarische Tiefebene rein fuhr sondern mich eher im hügligen Nordostungarn rum trieb, der Kilometerzähler zeigte nun aber wieder höhere Zahlen als die Tage zuvor an.

Tolle Stimmung in der Nähe von Bélapátfalva.

Der Herbst war hier auf vollem Vormarsch. Die Bäume waren orange-rot-gelb geschmückt, an den Straßenrändern strahlte es oft im prächtigsten Gelb von den Goldruten. Das Land sah eher nach Viehwirtschaft als nach Ackerbau aus, auch wenn ich kein Vieh entdecken konnte. Aber es gab viele Wiesen und keine Äcker. Weiter westlich in der Gegend um Eger wurde es nochmal ein Stück hügeliger, statt Wiesen gab es dort unzählige Weinberge und eingezäunte Obstplantagen. Was jedoch fehlte waren die Obstbäume direkt an den Straßen. Das tägliche Obstpflücken am Straßenrand, welches schon zur tägliche Routine auf meiner Reise gehörte, war hier einfach nicht möglich.

Budapest.

Mit meiner Ankunft in Budapest hatte sich die Ruhe der verschlafenen Dörfer natürlich gegessen. Aber auch als ich ein paar Tage später weiter westlich der Donau in Richtung Slowenien rollte, sah es etwas anders als in Nordostungarn aus. Dieser Teil Ungarns wirkte moderner, die Straßen waren besser ausgebaut und es war mehr los.

Hatten mir meine Eltern immer mal von schönen Urlauben am Balaton erzählt, so wollte ich mir diesen etwas größeren See doch auch einmal selbst anschauen. Das Wasser war grau, die umliegende Landschaft leicht hügelig, es gab unglaublich viele Strände mit Kassenhäuschen, die Orte bestanden gefühlt nur aus Gästezimmern und Restaurants und die Häfen waren proppe voll mit jeder Menge von Booten. Dank der Jahreszeit fehlten glücklicherweise die ganzen anderen Touristen und so hatte ich wenigstens etwas Ruhe. Aber ihr merkt es schon, so richtig gekriegt hat mich der Balaton nicht.

Action am Balaton.

Und wo ich beim Verlassen der Slowakei schon etwas länger überlegt habe nicht vielleicht noch da und dort hin zu fahren, so hatte ich dieses Bedürfnis in Ungarn nicht. Ja in den Dörfer in Nordostungarn gab es viel Neues zu beobachten, der Aggtelek-Nationalpark war schön, Budapest hat mir sehr gut gefallen, aber im Großen und Ganzen hat mich Ungarn verglichen mit anderen Ländern nicht so sehr beeindruckt. Keinesfalls unerwähnt bleiben kann an dieser Stelle jedoch die großartige Gastfreundschaft, welche ich wiederum erfahren habe. Über die Warmshowers Gemeinschaft konnte ich bei vier verschiedenen Gastgebern nächtigen und habe so doch einen besseren Eindruck auf das Leben der Ungarn bekommen, als wenn ich einfach nur so durchgeradelt wäre. Vermutlich sind es gerade auch diese Erfahrungen, die mir Ungarn – auch wenn es landschaftlich für mich nicht so viel zu bieten hatte – trotzdem gut in Erinnerung halten wird. Danke Emese, Anett, Patri und Stan sowie Tamas und Zsofia!


Reisezeit: September/Oktober 2021

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