Drei Tage zu Fuß durch den Lagodekhi Nationalpark

Es war mal wieder Zeit für etwas Neues. Zumindest etwas Neues auf dieser Reise, denn es sollte auf die erste Mehrtageswanderung seit der Abfahrt in Deutschland gehen. Viel zu lange hatte ich das schon nicht mehr gemacht – um so größer war die Vorfreude auf dieses kleine Projekt, als ich von Tiflis aus in Richtung Lagodekhi Nationalpark los radelte. Den Tipp für die Mehrtageswanderung gab es nur ein paar Tage vorher von einem französischen Radelpärchen und es klang wirklich nach der optimalen Wanderung: Drei Tage in alpiner Umgebung mit Hütteninfrastruktur – perfekt, um es mit dem kleinen Rucksack den ich dabei habe durch zu ziehen.

Es war drückend heiß, als ich am frühen Nachmittag in Lagodekhi am Nationalparkzentrum an kam. Klitschnass geschwitzt saß ich vor einem der Mitarbeiter, der mir freundlich die Besonderheiten des Tracks näher brachte und anschließend auch noch den Papierkram für den Passierschein des Militärs in der Grenzregion vorbereitete. Denn von dem Dorf Lagodekhi nahe der Aserbaidschanischen Grenze sollte es hoch hinauf zum Black Rock Lake gehen – einen Gebirgssee durch den die Grenze zur Russischen Föderation verläuft.

Nachdem alles im Nationalpark-Zentrum geklärt war, radelte ich zu Nanas Guesthouse weiter, klopfte an und bezog ein Zimmer. Anschließend gab es noch einen Streifzug durch die Lebensmittelgeschäfte des kleinen Örtchens, um Wanderproviant für die kommenden Tage zu organisieren. Am Abend packte ich den Rucksack und war ziemlich froh, dass alles gerade so seinen Platz fand.

Tag 1: Vom Nationalparkzentrum zur Meteo Hütte.

Am nächsten Morgen ging es am Nationalparkzentrum los. Noch einmal Wasser tanken, denn bis zur ersten Hütte am Abend sollte es nichts mehr geben. Der Weg führte zunächst noch relativ flach durch den schattigen, saftig grünen Wald. Irgendwann folgte eine Bachquerung auf einem Baumstamm und dann ging es eigentlich nur noch nach oben. Der Anstieg war allerdings nicht zu steil, der Weg auch recht breit, da die Strecke bis zum Ende von Tag zwei auch mit Pferden begangen wird. Am Tag zuvor hatte ich noch etwas Bammel wegen der großen Hitze, doch dank des schönen Waldes mit seinen mächtigen Laubbäumen war es sehr angenehm, trotz des ständigen Anstiegs. Es war eine wahre Freude durch diesen Wald zu wandern – alte Bäume lagen einfach umgeknickt da, viele der Stämme waren mit dicken Moosschichten bewachsen, an lichten Stellen blühten zahlreiche verschiedene Blumen. Ein Wald, der zum großen Teil sich selbst überlassen ist.

Am Nachmittag war dann bereits die Meteo Hütte auf 1950 Metern erreicht. Eine kleine Selbstversorger-Hütte mit allem was man so benötigt: Plumpsklo, Wasser, Feuerstelle und drei Räume mit Stockbetten inklusive Matratzen, wobei letztere schon etwas in die Jahre gekommen sind. Noch knapp unter der Baumgrenze gelegen, stand die Hütte im saftigsten Grün mit Ausblick auf die höheren Berge die da noch kommen sollten. Die Nacht war nicht die Beste, da ein paar feierlustige Georgier per Pferd anreisten und noch ziemlich lange diverse Flaschen mit Luft befüllten – vielleicht ein Einblick in die lokale Kultur.

Mit bestem Wanderwetter ging es am Morgen des zweiten Tages erst mal weiter bergauf. Die Baumgrenze war schnell erreicht und nach einer kleinen Weile befand ich mich auf einem Bergrücken mit Blick in Richtung Aserbaidschan. Der Weg war hier schön schmal, es handelte sich nun um richtig alpines Gelände. Die Wiesen strotzten nur so vor Grün und hin und wieder zogen ein paar Wolken über den Grat, die dem Ausblick noch etwas magisches Verliehen. Gegen Mittag erreichte ich den Militärstützpunkt, legte die im Nationalparkzentrum vorbereiteten Papiere inklusive meinem Reisepass vor und erhielt dann einen Passierschein für das kommende Stück, welches sich in direkter Grenznähe zu Russland befand.

Tag 2: Von der Meteo zur Demidov Hütte.

Nun ging es im wesentlichen ohne größere Höhenunterschiede weiter in Richtung des Black Rock Lakes, der dann auch am Nachmittag erreicht war. Der Ausblick auf den von Bergen umgebenen See war wunderschön. Ich genoss diesen eine ganze Weile und spielte dann auch noch ein Bisschen mit der Kamera herum. Es war schon ein besonderes Gefühl direkt an der Grenze zu Russland angekommen zu sein, erst mit dem Fahrrad und dann das letzte Stück zu Fuß. Eine Grenze die man dort oben in den Bergen nicht sah, von der man nur wusste und die man doch lieber nicht überqueren sollte – auch wenn ich direkt vor Ort weder Georgische noch Russische Grenzsoldaten sah.

Das letzte Stück des Tages führte noch über einen kleinen Pass und dann ein paar hundert Meter hinab zur Demidov Hütte auf 2650 Metern. Sie war schon von weitem zu sehen und lag malerisch in einem weiteren wunderschönen Panorama des Hohen Kaukasus. Die Wasserversorgung war hier etwas komplizierter. Die beiden Quellen ganz in der Nähe waren versiegt, so musste ich noch in ein kleines Tal zu einem Gebirgsbach hinab steigen, um frisches Wasser zu holen. Davon abgesehen gefiel mir diese Hütte allerdings wesentlich besser – sie befand sich in einem besseren Zustand. Durch die abgeschiedene Lage kommen dort wohl weniger Wanderer vorbei, einige werden sicherlich am Black Rock Lake zur Meteo Hütte umkehren. Es war auch wesentlich weniger los – lediglich eine Niederländische Familie teilte sich mit mir die Hütte. Ich freute mich auf eine nun wesentlich ruhigere Nacht.

Tag 3: Abstieg von der Demidov Hütte.

War der Weg bis zur zweiten Hütte sehr gut machbar, so lauerte am dritten Tag die eigentliche Herausforderung: Der Abstieg von der Demidov Hütte hinab zum Nationalpark-Zentrum. Dieser Teil des Tracks ist nur noch ein sehr schmaler Bergpfad, der anfangs an ziemlich steilen grassbewachsenen Hängen verläuft und später unterhalb der Baumgrenze oftmals über losen Untergrund führt und dabei nicht minder steil ist. War der Weg am ersten Tag noch mit übermäßig vielen blauen Markierungen übersät, so war es hier bei dem hin und wieder recht dichten Bewuchs manchmal etwas schwieriger die richtige Spur zu finden. Landschaftlich war auch dieser Abschnitt äußerst schön, ich war jedoch trotzdem froh, als ich dann unten im Tal ankam.

Insgesamt betrachtet waren die drei Tage eine absolut lohnenswerte Runde. Georgien zeigte sich hier wieder einmal von seiner absolut saftig grünen Seite mit einer spektakulären Berglandschaft. Auch wenn das kleine Kaukasusland wesentlich kargere, fade flache oder hügelige Landschaften hat – das Grün und die hohen Gebirgszüge machen für mich zu einem Großteil dieses Land aus. Und es ist ein wahres Paradies für Wanderer, der Lagodekhi Nationalpark ist da nur ein kleines Stückchen diese Paradieses. Ausführliche Informationen zum Wandern in Georgien gibt es übrigens auf der Webseite caucasus-trekking.com.


Reisezeit: August 2022

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert