Auf in den Orient

Willkommen in der Türkei!

Der Campspot für die letzte Nacht in Griechenland war halbwegs windgeschützt, das Wasser aber am Morgen wieder gefroren. Es war kalt. Zurück auf der Straße blies mir der Wind unerbärmlich von vorn entgegen. Auch wenn es nur 25 Kilometer bis zur Grenze waren, sie zogen sich verdammt lang. Doch dann war sie endlich erreicht, die Europäische Außengrenze, die Grenze zum Orient, ein Stückchen Welt in dem ich noch nie vorher gewesen bin.

Vom Wind merkte ich nun während der nächsten dreiviertel Stunde der Grenzüberquerung nichts. Nicht dass er nicht geblasen hätte, aber es war erst mal völlig nebensächlich. Den Einreisestempel in der Türkei gab es ganz fix, danach musste ich allerdings noch meine Taschen öffnen. Als alles absolviert und wieder verstaut war, drehte ich mich um und knipste ein erstes Foto der riesigen pompösen und super sauberen Grenzanlagen der Türkei. Hoch oben wehten riesige Fahnen, ah ja stimmt – da war er wieder der Wind.

Und dann befand ich mich auf einmal auf einer gigantischen Straße – zwei Spuren je Fahrtrichtung, dazu jeweils ein vernünftiger Seitenstreifen, perfekt asphaltiert, der Weg zur Gegenfahrbahn durch Leitplanken versperrt und auch nach rechts war das Ganze verplankt. War das etwa eine Autobahn? Durfte ich hier überhaupt Radeln? Eine andere Straße gab es jedenfalls nicht, ich musste also. Hin und wieder öffneten sich die Leitplanken auf der rechten Seite und es gingen Schotterwege ab. An anderen Abschnitten gab es rechts keine Leitplanke sondern betonierte Gräben. Ab und zu teilte sich die Richtungsfahrbahn und die Gegenfahrbahn auf, so dass eine breite Insel dazwischen war mit jeweils zwei leicht gebogenen Verbindungsstraßen – hier durfte gewendet werden. Oder es gab Abzweigungen in diesem Stil in andere Richtungen. Ein sehr interessantes und gar nicht so doofes Konzept. Spätestens nach dem dritten Traktor und einigen krude umkonstruierten Mopeds war mir klar, dass auch ich hier radeln durfte. Und der Seitenstreifen war auch meistens gut dafür geeignet. Nur manchmal war dieser leider nicht frei – es lagen zerfetzte Reifen mit den zugehörigen Drahteinlagen oder kleines loses Geröll herum, so dass ab und zu auf die Fahrbahn auszuweichen war. Der Wind blies dank einer Richtungsänderung nun überwiegend von seitlich rechts vorn, so dass ich immer wieder zu den LKWs zur Fahrbahn gedrückt wurde. Zogen die Brummis an mir vorbei, so kamen noch fiese Windverwirbelungen dazu. Ohne den fiesen Wind lassen sich auf dieser Art Schnellstraße gut Kilometer machen, mit dem ganzen heftigen Verkehr ist es aber trotzdem nicht schön zum Radeln. Dieser Straßentyp ist im übrigen überall in der Türkei anzufinden, das Pendant zu unseren Bundesstraßen.

Den ersten Stopp gab es in Keşan. Eine recht große Stadt, die schon aus der Ferne gut erkennbar war, da sie sich mit ihrer Größe vom kargen, hügeligen Agrarland gut abhob. In der Stadt wurde ich vom Gewusel der vielen Menschen förmlich erschlagen. Die Fußwege waren voll von Menschen und dienten gleichzeitig auch als Auslagefläche für die angrenzenden Geschäfte. Der Verkehr wirkte auf mich absolut chaotisch. Überall hupte es, es staute und trotzdem ging es irgendwie ohne einheitliche Regeln voran. An einem Geldautomaten versorgte ich mich erst mal mit ein paar Türkischen Lira und landete per Zufall anschließend recht schnell in einem Turkcell-Geschäft, wo es eine SIM-Karte mit ordentlich Datenvolumen gab. Bei dem darauf folgenden Besuch in einem kleinen Supermarkt war ich von den für mich doch sehr günstigen Lebensmittelpreisen recht begeistert. Das Angebot war gut und natürlich sehr interessant – so ein erster Besuch in den Lebensmittelgeschäften eines neuen Reiselandes ist schließlich immer etwas besonderes. Als alles besorgt war und ich an einem öffentlichen Wasserhahn meine Flaschen auffüllen wollte, machte mir ein Einheimischer mit Gesten deutlich, dass dies wohl nicht zum Trinken geeignet sei. Etwas grummelig kaufte ich dann also noch zwei Plastikflaschen Wasser an einem Kiosk und schwang mich anschließend wieder auf das Tier.

Ein kleines Stückchen außerhalb der Stadt gab es einen ganz gutes Fleckchen für das Zelt an einem leicht bewaldeten Berghang. Hier war es nun endlich angenehm ruhig, der Wind blies zwar weiterhin und aus der Ferne war die breite Straße noch etwas zu hören doch der laute Stadtlärm und die Straßengeräusche des Tages waren verschwunden. Etwas später ertönte der Ruf des Muezzins aus mehren Richtungen aus der Ferne. Tag eins in der Türkei war nun geschafft und ziemlich müde kroch ich in den Schlafsack.

Endlich angekommen am Bosporus.

Die nächsten vier Tage ging es weiter nach Istanbul. So richtig zufrieden war ich aber noch nicht. Das neue Reiseland und ich waren noch nicht so richtig zusammen gekommen, gerade wo ich mich doch so sehr auf die Türkei gefreut hatte. Doch irgendwie waren die Bedingungen einfach noch nicht gut. Eine richtige Alternative zu der gigantischen Straße schien es nicht zu geben. Je weiter es in Richtung Istanbul ging, desto dichter wurde auch der Verkehr. Der Wind wollte einfach nicht aufhören zu blasen, dazu war es weiterhin extrem kalt. An einem Tag begann es zudem noch zu Regnen, der sich dann in Schnee und Hagel verwandelte. Hier zog ich die Reißleine und buchte mir aus Frust ein warmes Hotel in der nächsten Stadt, um mal wieder etwas Wärme und Komfort zu bekommen. Und so wie der Zufall spielte, traf ich an diesem Tag auf Guénola und Antoine aus Frankreich, die ebenfalls mit den widrigen Wetterbedingungen kämpften. Wir hatten dann einen gemütlichen Abend und traten am nächsten Morgen gemeinsam den letzten Abschnitt in Richtung der Bosporus-Metropole an. Dort konnte ich dann erst mal etwas entspannen und mich etwas mehr auf dieses neue Land einlassen. Auch das Wetter begann sich nun nach den letzten Wochen voller Kälte, Regen und Wind endlich zu bessern.


Reisezeit: März 2022

Kommentare

4 Antworten zu „Auf in den Orient“

  1. Benutzer Icon
    Marcin Jacuzzi

    This is where the orient begins. I was waiting for this stage of the trip and I’m looking forward for the next adventures. It’s really interesting to read your findings about places you already visited. I’m very interested what country will be next, when you reach end of Turkey 🙂
    BTW: took exactly the same picture of Bosphorous bridge (from the same spot) when I visited Istanbul just 3 weeks ago.

    1. Benutzer Icon

      Thank you very much! The next country is coming soon, unfortunately the Turkey visa is much too short for this great country.
      Oh, you were in Istanbul. An incredibly exciting and impressive city! Did you like it there?

      1. Benutzer Icon
        Marcin

        Yes, I did like it a lot. Especially prices 😉
        I’m pretty sure I’ll go back to Turkey, but probably this time to Kapadokia region.
        I’m looking forward for your entry about areas you visited so maybe there will be some additional inspiration.

        1. Benutzer Icon

          Yes, Turkey is good for the travel-purse 😀 Even more out of Istanbul. Kappadokia is definitely very beautiful but not a quite area.
          There are more posts about Turkey coming!

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